Artikel von Andreas Speit, Der rechte Rand, in: taz-Nord, 12.12.2019, S.42
Protest scheint in Neumünster nicht ohne Wirkung zu sein. Am Nikolaustag hatte die Antifa-Kampagne „Kein Fame für Famous“ zuletzt auf die Verstrickungen der Betreiber des „Famous Tattoo & Lifestyle Studio“ mit der Rechtsextremen- und Rocker-Szene aufmerksam gemacht. Die AntifaschistInnen verteilten Nikoläuse mit der Botschaft „Schöner Leben ohne Naziläden“.
Vier Tage später verdichteten sich die Gerüchte, dass das Management des Shopping-Centers „Holsten-Galerie“, in der das Tattoo-Studio angesiedelt ist, dem „Famous-Studio“ die Kündigung zukommen ließ. Die Center-Managerin Mailin Huljus möchte dazu bisher nichts sagen. Bei Gesprächen mit den InitiatorInnen der Gegenkampagne hatte sie zuvor die Vorhaltungen gegen das Tattoo-Studio als nicht belastbar genug bewertet. Dass sie sich jetzt gar nicht äußert, könnte daran liegen, dass es gar nicht so einfach ist, ungeliebten Mietern die Geschäftsräume kurzfristig zu kündigen. Der Laden wehrt sich gegen den Rausschmiss, eine Räumungsklage läuft.
Am 15. Juni hatte der Geschäftsführer und offizielle Mieter des Ladens, Christian Franz, das Studio nach einem Umzug aus einer benachbarten Straße in dem Einkaufscenter neu eröffnet. Die geschäftlichen Belange regelt er aber offenbar nicht alleine. Im Impressum der Website steht nicht sein Name, sondern ausschließlich der des Bandido-Mitglieds Matthias Stutz.
Ein Foto zeigt Stutz zusammen mit Peter Borchert, einem der führenden Mitglieder der Bandidos. Borchert gehört mittlerweile dem Charter „Bandidos National“ an und trägt das Kürzel TBC – „Taking care of Business“. In Norddeutschland war Borchert einer der ersten Aktivisten der rechtsextremen Szene, die sich gleichzeitig auch im Rocker-Milieu bewegten.
Vor der Karriere bei den Rockern hatte Borchert den NPD-Landesvorsitz in Schleswig-Holstein inne. Er wirkte außerdem im Netzwerk der Autonomen Nationalisten mit und führte den „Club 88 – the very last resort“ mit an. Der 1996 im Neumünsteraner Stadtteil Gadeland eröffnete „Club 88“ war jahrelang ein Treffpunkt für Rechtsextreme aus ganz Europa, bis er Anfang 2014 schloss.
Bis heute arbeitet Borchert mit Rockern eng zusammen, die eine ähnliche Vita haben wie er. Borchert selbst ist mehrfach vorbestraft und saß mehr als zehn Jahre in Haft. Im alten Laden ging er ans Telefon, im neuen Laden war er bei der Eröffnung dabei. Mit dem Umzug hatte sogleich der Protest begonnen. Prompt folgten Morddrohungen gegen die TeilnehmerInnen der Gegenkampagne. Sie knickten nicht ein, schrieben unter anderem die Manager des Einkaufszentrums an – offenbar mit Erfolg.
Hinweis: Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland. Weitere Artikel: https://taz.de/Andreas-Speit/!a226/