Kampf gegen #Famous auf Club-88-Abrissparty thematisiert

Am 2. Oktober 2020 feierten viele Ehemalige des „Bündnis gegen Rechts“, jetzige Aktive und Gäste eine „Abrissparty“ in Gadeland, wo der „Club 88“ als international bekannter Treff der Neonazi-Szene lange Zeit großen Schaden für die Stadt Neumünster anrichtete. Es wurden mehrere Reden gehalten, in denen auf neue Treffpunkte der braunen Szene hingewiesen wurde.

Die Geschichte des „Club 88“, damit auch die Geschichte des „Bündnis gegen Rechts Neumünster“ und Schlussfolgerungen aus seiner Schließung 2014 dokumentieren wir hier.

Das Bündnis gegen Rechts gründete sich 1999 in Neumünster und hatte es sich zum Ziel gemacht, das Problem „Club 88“ in die Öffentlichkeit zu bringen und ihn dann mit dem Druck der Öffentlichkeit zu schließen. Die Grünen stellten dann mit Mitwirkung der damaligen Bundestagsabgeordneten Angelika Beer eine Anfrage in der Ratsversammlung zum Thema „Club 88“. Die darauffolgenden Jahre waren sicherlich die extremsten in der Geschichte des „Club 88“.

Eine deutsch-türkische Familie, die in der Nähe der Konzessionsinhaberin des „Club 88“ wohnt, wird terrorisiert. Ihr Auto wird angezündet, es wurde mit scharfer Munition auf ein Wohnungsfenster geschossen, ein Brandanschlag wird auf die Wohnung verübt und eines Morgens findet die Familie 18 Stücke verfaultes Fleisch vor ihrer Haustür. Die „18“ steht hierbei für „Adolf Hitler“.

Bei einem Fußballspiel zwischen den VFR und FC St. Pauli brüllten 80 Nazis Parolen wie „Ruhm und Ehre der Waffen SS“ und griffen nach dem Spiel Polizisten und St. Pauli Fans an. Heute sind Personen aus dieser rechten Hooliganszene wieder beim VFR in hervorgehobener Position aktiv.

Das AJZ wird im Juni 2000 mit Hakenkreuzen und SS-Runen beschmiert, ein Mitarbeiter der AJZ wird in der Stadt überfallen. Die ersten Großdemos gegen den Club werden organisiert. 800 Menschen demonstrieren am 24. Juni 2000 für die sofortige Schließung des Clubs. Ein von der Stadt eingeleitetes Verfahren für die Schließung hat kurzfristig Erfolg und der Club muss wegen „persönlicher Unzuverlässigkeit“ am 5. September 2000 schließen. Im juristischen Nachgeplänkel scheitert der Oberbürgermeister jedoch, da er die Schließung unpolitisch mit dem Gaststättenrecht begründet hat.

Mit dem Aktionssommer 2001 verfolgte das Bündnis gegen Rechts das Ziel, den Betrieb des „Club 88“ durch verschiedene Aktionen in seiner unmittelbaren Nähe zu behindern und zu erreichen, das zumindest Mitläufer*innen die Lust am Besuch des Nazitreffs vergehen sollte.

Seinen Anstrich hat der Club über die Jahre manchmal geändert. So war er auch schon mal rosa mit braunen Schweinen, passend zu den Menschen, die drinnen feierten.

Aber es ziehen weitere Jahre ins Land, in denen die Nazis Konzerte mit teilweise 700 bis 800 Besucher*innen feiern können, diese Rechtsrockveranstaltungen mussten damals angesichts hunderter Teilnehmer sogar in angemietete Hallen oder in die Trainingsräume des Athletik Klub Ultra verlegt werden. Nie erlahmten jedoch die antifaschistischen Kräfte, die mit Demonstrationen, Mahnwachen, Unterschriftensammlungen, phantasievollen „Farbanschlägen“, Konzertveranstaltungen und schließlich mit einer Fahrraddemo im September 2012 gegen die Existenz des Nazitreffpunkts in ihrer Stadt vorgingen.

Im Februar 2014 war es endlich soweit. Der Schriftzug über dem Eingang war schwarz übermalt, der Mietvertrag gekündigt, die „Schlüssel am 01.02. bei der Vermieterin abgegeben“. Vom Bündnis hierauf hingewiesen, fragte die Stadtverwaltung bei der Club-Betreiberin nach ihrer Gaststättenkonzession, und als die Antwort ausblieb, hat die Stadt „das Gewerbe von Amts wegen abgemeldet“. Mit diesem Verwaltungsvorgang ist die Existenz des bedeutendsten Neumünsteraner Nazitreffpunkts beendet. Der „Club 88“ war einmal.

Welche Schlussfolgerungen ziehen wir aber aus der Schließung?

Natürlich haben die Nazis den „Club 88“ selbst aufgegeben, weil er für ihre Strukturen nicht mehr zeitgemäß war. Diese Aufgabe war kein Verdienst der Antifa oder sonstigen Kritikern.

Wir wurden von ehemaligen Aktivist*innen gefragt, warum wir den Abriss der Immobilie jetzt feiern?

Mit der heutigen Abrissparty verfolgen wir ganz sicher nicht das Motto „Uns fiel nichts Besseres ein, wir wollen an alte Zeiten erinnern – alte Erfolge aufwärmen!“

Nein, wir wollen erinnern, dass es gelingen kann, durch vielfältige Aktionen einen Großteil der Neumünsteraner Bevölkerung über die Existenz von Nazi-Gaststätten und Nazi-Shops und die von ihnen ausgehenden Gefahren zu informieren. Über 3000 Menschen haben damals für die Schließung des Clubs unterschrieben. Auf Demos gegen die Nazis konnten in den 2000er Jahren bis zu 1000 Menschen und teilweise neben den zum Bündnis gehörenden Organisationen auch die SDP, die FDP und der Kreissportverband mobilisiert werden, die später dem Runden Tisch für Toleranz beitraten.

Heute kommen zu den Demonstrationen circa 50, manchmal auch 100 Personen. Das sind ganz andere Dimensionen als damals.

Das Naziproblem hat sich seit Ende der neunziger Jahre in Neumünster definitiv verkleinert. Als die Antifaschistische Aktion Neumünster ihre Broschüre über Organisationsformen der militanten Neonaziszene in Neumünster schrieb, ging man von etwa 100 aktiven Nazis und Mitläufer*innen im Umfeld der Freien Nationalisten und Kameradschaften aus, Wasbek mitgerechnet. Beim letzten Infostand der NPD am 19. September waren ganze drei Personen aus Neumünster dabei, im Umfeld vielleicht noch einmal dieselbe Zahl an Personen.

Bei diesen Erfolgen dürfen jedoch auch die Schwächen antifaschistischer Politik in Neumünster nicht vergessen werden. Das heutige primäre Ziel der meisten antifaschistischen Aktivitäten in Neumünster, die Schließung der Nazikneipe „Titanic“ des NPD-Wirts Horst Micheel oder auch die Schließung des Tattooladens am Großflecken, der fest in Bandido-Hand ist, ist nicht erreicht worden. Momentan, im Fahrtwind der gesellschaftlichen Entwicklung nach rechts, ist es unwahrscheinlich, dass es in Neumünster noch einmal eine Kampagne geben wird, die die Schließung der „Titanic“ über den Weg des öffentlichen Drucks erreichen wird. Der Vermieter dieser Immobilie aus Aukrug fördert durch seine Weitervermietung aktiv den Neonazismus in unserer Stadt. Wie die Antifaschistische Aktion Neumünster recherchierte, soll der Vermieter möglicherweise sogar beim Bundesgrenzschutz gearbeitet haben.

Mit so einer Unterstützung kann die „Titanic“ bereits ihr 15-jähriges Bestehen feiern.

Wie schwierig es ist, Details zu den Mietverhältnissen herauszufinden, zeigt das Beispiel „Famous“. Einem Journalisten aus Hamburg zufolge soll das Tattoostudio über eine Briefkastenfirma in Sri Lanka angelegt worden sein. „Lütten“, der Shop-Betreiber ist gerade am Amtsgericht Neumünster aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Ihm war ein Messerangriff in der Holstengalerie vorgeworfen worden. Dass die Bandidos diesen Erfolg feiern, sieht man daran, dass „Lütten“ kurz nach dem Prozess zum President des MC Bandidos Padborg aufgestiegen ist.

Dem Bündnis gegen Rechts ist es gelungen, Rechtsextremismus zumindest zeitweise in breiteren Kreisen der Gesellschaft zu thematisieren. Mittlerweile gibt es eine größere Zahl von Menschen, die antifaschistisch aktiv sind. Auch wenn sie es selbst nicht so nennen wollen, da der Begriff immer noch bei vielen mit einem gewissen „Igitt“-Faktor belegt ist. Damit konnte das Defizit der 90er Jahre, in denen in Neumünster linke und antifaschistische Politik öffentlich kaum wahrnehmbar war, wettgemacht werden. Es ist jedoch nicht gelungen, den Nazis beim Aufbau ihrer Strukturen ernsthaft zu schaden. Das liegt z.T. auch an einer immer weiter nach rechts rückenden Justiz. Letztes Jahr wurde aus antifaschistischen Kreisen der Schriftzug „Migration tötet“ der NPD angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Kiel sah hierin keine Anhaltspunkte für eine Volksverhetzung. Der Plakatspruch sei „nicht geeignet, die in Deutschland lebenden Migranten zu beschimpfen, böswillig verächtlich zu machen oder zu verleumden und dadurch ihre Menschenwürde anzugreifen.“ Die NPD hätte damit lediglich den „Verlust der deutschen Kultur“ beklagen wollen.

Welche Ausmaße neonazistische Strukturen und rechtsextreme Netzwerke in Polizei, Verfassungsschutz und Justiz in Zukunft noch annehmen werden, ist nicht abzusehen. Was wir als Antifaschist*innen dagegen unternehmen können, ob auf der Straße oder in der Politik, ist momentan auch unklar. Zurzeit gilt Neumünster bei vielen Szenebeobachtern noch immer als eine der westdeutschen Nazihochburgen und uns muss schnellstens etwas einfallen, damit dies nicht so bleibt bzw. noch schlimmer wird.

Open your eyes, time to wake up, enough is enough!

Aufsteller bei Club-88-Abrissparty (Photo: Antifaschistische Aktion Neumünster)